Marlin Watling hat auf seinem Blog einen guten Beitrag zur aktuellen Diskussion „Was ist missional church“ – was noch besser als der Beitrag ist, ist der Dialog, die Diskussion von einigen Leuten zu dem Thema. Ich habe ebenfalls einen Beitrag verfasst und gebe ihn unten wieder, weil mich evtl. Antworten interessieren. Und ich sicher gehen möchte, dass ich Reaktionen und Antworten auf die unten gestellten Fragen auch mitbekomme. Meinen Kommentar versteht man selbstredend am Besten, wenn man die Diskussion nachvollzogen hat, die vier Punkte kann man aber auch ohne verstehen, denke ich. Wie würdest Du, der Du diesem Thema in Deinem Leben und Deinem Kopf Ausdruck gibst machst, die Fragen beantworten? Vielleicht sogar mit praktischen Beispiele versehen?
Hier mein Kommentar:
Hallo Leute,
habe mir lange überlegt, ob ich einen Kommentar schreibe – ich versuche es einmal.
Ich bin mir nicht so sicher und daraus resultieren für mich einige Fragen, die ich einfach mal in die Runde werfe:
1. Kennt jemand einen neutestamentlichen Auftrag zum Feiern von Gottesdiensten? Gibt es wirklich eine Stelle in der steht: Trefft Euch regelmäßig mit allen, um eine Veranstaltung abzuhalten? Nicht, dass es unbedingt eine biblische Legitimation für eine kontextuelle Anpassung geben müsste. Dennoch wäre eine Studie hierzu mal interessant, weil sie evtl. eine Gewichtung aufzeigt. Tradition und Rituale, wie Simon sie vorschlägt sind hier wenig hilfreich, denn sie zeigen vergangene Kontextualiserungen, was auch hilfreich ist, aber eben noch begrenzter. Meine erste Frage also: Welche Gewichtung finden wir in der Bibel, vor allem im Neuen Testament in Bezug auf Gottesdienste?
2. Ist missional das neue Buzzwort? Ich lese immer weniger über „Emerging Church“ und immer mehr über „missional“, was ich zunächst mal positiv finde. Dennoch wird eine schärfere Definition des Wortes sinnvoll. Das Beispiel wäre, dass eine missionale Gemeinde in einem Kontext, der in Programmen funktioniert auf jeden Fall Programme entwickeln wird, sonst läuft sie an ihrem Kontext vorbei. Missional vs. Programm ist daher keine Frage und eins nicht allgemeingültig das Adjektiv des anderen, sondern vielmehr kann Programm Ausdruck der Missionalität sein, abhängig vom Kontext – hier kommen wir nicht um die inkarntorische Frage herum. Missional inkarniert in eine kontextuell bestimmte Form. Wie auch immer diese aussehen mag. Hier urteilen wir viel zu schnell über „missional“ oder „nicht missional“ anhand von Formen. Erst wenn wir in der Umwelt leben und von innen her beurteilen können, ob eine Form „passt“ oder „kommuniziert“ oder nicht, sind wir in der Lage die „Missionale Frage“ zu beantworten. Meine zweite Frage ist also:
Wissen wir wirklich, was „missional“ ist oder haben wir hier Nachholbedarf?
3. „You must unlearn, what you have learned“ (Yoda, Star Wars Teil V) Seien wir ehrlich: Wir haben eine christliche Kultur erlernt, ererbt, eine reiche Kultur, eine zugrunde liegende „Systems Story“ (Lesenswert dazu: A Crash Course in Chaos von Alan Hirsch: http://leiterschaft.de/emergentes/2007/03/16/crash-kurs-chaos/)
Der Prozess des „Verlernens“ muss am Anfang stehen, denn sonst haben wir ein Paradigma im Kopf, genau wie unsere ganze Gemeinschaft. Natürlich werden Leute rebellieren, wenn man ihnen den „Gottesdienst“ wegnimmt. Das hat etwas mit „Heimat“ „Kultur“ und „Erziehung“ zu tun. Hier muss man viel „verlernen“, um etwas neuem Platz zu machen, wenn es denn der missionale Weg ist. (Auch hier wieder: Wie ist der Kontext?) Ich glaube, dass es für viele ein Weg sein kann und vermutlich muss neue Kontexte aufzusuchen. Dazu muss man viel verlernen, sonst nimmt man seine „Heimat“ immer mit. Und das führt dazu, dass man nicht richtig heimisch wird. Jeder, der eine komplizierte, fremde Sprache gelernt hat, weiß von was ich rede. Wenn man sich nicht auf die Denkweise der Fremden Kultur einlässt, wird man sprachlich an seine Grenzen kommen. Und man reflektiert in der Fremde deutlicher über seine eigene Kultur.
Meine dritte Frage ist also: Wie können wir einen sinnvollen Prozess des „Verlernens“ anstossen und begleiten, damit wir neuen Wein in neue Schläuche füllen können? Und das muss Teil einer jeden Gemeinde sein, die Luthers „Ecclesia reformata et semper reformanda“ ernst nimmt.
4. Wie konkret darf das bei uns werden? Bei mir? Ist uns bewusst, dass Nachfolge nicht nur unser ganzes Leben umfasst, sondern auch kostet? Jesu Ruf in die Nachfolge (Lk. 9: http://www.bibleserver.com/act.php?text_ref=42009023) verlangt Selbstverleugnung. Nicht mehr ich, sondern er. Das fordert uns nicht nur praktisch heraus, sondern auch geistlich müssen wir von der Couch der Wohlfühltheologien aufstehen und praktisch werden. Das bringt uns (mich persönlich) an unsere Grenzen und über diese hinaus. Ich habe Achtung vor den Menschen, die sich mit ihrem ganzen Leben einsetzen, um sich auf diesen gefährlichsten aller Wege zu begeben: Denn das sichere ist, dass wir uns selbst verlieren werden in der Nachfolge. Das Sichere ist das Kreuz, das Sichere ist unser Leben zu verlieren. Das hat Jesus offen und klar gesagt. Das erfordert Demut (da steckt Mut drin) und eine Haltung, die immer lernen will und immer praktisch umsetzt. Meine letzte Frage ist: Wie lebst Du im Moment? Wie wird das was Du sagst praktisch, greifbar, fühlbar? Wie gewinnt Gott Gestalt in Deinem Leben und in dem Deiner Gemeinschaft?
Ich hoffe dieser Beitrag hilft ein wenig weiter – ein Vorschlag an alle Leser: Nehmt doch mal diese 4 Fragen auf und beantwortet sie auf Eurem Blog. Ich bin sehr an den Antworten interessiert und werde diesen Kommentar und einen Link auf den Post von Marlin auf meinen Blog stellen. Verlinkt das und ich lese das gern und versuche es aufzunehmen. Ich würde mich freuen, wenn wir konkret werden und in Deutschland viele veränderte Gemeinschaften entstehen, die sich gefährliche Fragen stellen. Und unsere kleine, deutsche Welt verändern. Gemeinschaft für Gemeinschaft, Kultur für Kultur, Nachbarschaft für Nachbarschaft.