Brian Mclaren und Andrew im Gespräch über „Everything must change“

31LcP1t0xEL.jpgGerade bin ich über interessante Rückfragen von Andrew Jones gestossen, der Brian McLarens Buch „Everything Must Change: Jesus, Global Crises, and a Revolution of Hope“ gelesen hat. Er fragt Brian direkt:

  1. (sinngemäß) Warum erzählst Du in deinem Buch nichts über die Kirche als Gottes primäres Mittel zur Ausführung seiner Mission? Das hast Du schon vorher getan – hat sich daran etwas geändert?
  2. (sinngemäß) Ich vermisse etwas die Hoffnung auf das Leben nach dem Tod, die eschatologische Hoffnung auf die Wiederherstellung aller Dinge. Bist Du von diesem Punkt der christlichen Orthodoxie abgekommen oder konzentrierst Du Dich bewusst auf eine immanente Sicht der Dinge, um Deinen Punkt zu verstärken?
  3. Es scheint mir so zu sein, dass Du in deinem Buch fast unreflektiert die Befreiungstheologie unterstützt und mit keinem Wort kritisch siehst, wie z.B. David Bosch das tut. Wie kommt das? (Andrew wird in der Antwort stark zurechtgestutzt…)

Der Dialog, der daraus entsteht ist lesenswert – ich habe keine Zeit ihn zu übersetzen, leider. Auf Englisch geht es hier entlang…

Eine deutsche Rezension des Buches gibt es hier.

ZeitGeist: Die Verwurzelung der Gemeinde in der Kultur

Nachdem es schon ewig lange draussen ist, fallen mir bei der Nachlese einige Dinge an „Zeitgeist“ wahnsinnig positiv auf. Zum einen das Blog, das die Möglichkeit eröffnet interaktiv seine Meinung zu dem Buch zu bekunden (das sollte sich viele Autoren zum Beispiel nehmen und den Mut haben transparent und zugänglich zu sein), zum anderen die teilweise ganz hervorragenden Artikel.

In vier Seiten schafft es Tobias Faix uns Christen eins zu verplätten und deutlich zu sagen: Unsere Gemeinden in Deutschland haben, nach oft kreativen Anfängen, die deutliche Tendenz sich in der „Bürgerlichen Mitte“ anzusiedeln. Dies scheint dann auch die Gottgegebene Lebensweise zu sein und ebenfalls auch die Gruppe derer zu definieren, denen man das Evangelium verkünden möchte – die „Zielgruppe“. Laut dem hervorragenden Sinus Report (hier gibt es eine Analyse unserer Gesellschaft als Grafik, sehr interessant!!!) macht diese „Bürgerliche Mitte“ gerade mal 15% der Bevölkerung Deutschlands aus. Ich zitiere einmal etwas länger aus „ZeitGeist“ (es hilft die Grafik angeschaut und die Beschreibung gelesen zu haben, bevor man das Zitat liest):

„Zum anderen, wo liegen denn die meisten Gemeinden? Dieser Gedanken deprimiert mich, da die meisten freikirchlichen Gemeinden aus der bürgerlichen Mitte stammen, die meisten Kirchen bestehen aus ‚Traditionsverwurzelten‘. Das ist grundsätzlich in Ordnung, die prägende Kultur, aus der Menschen kommen, wirkt sich auch auf Glauben, Gemeinde und Theologie aus, aber es gibt ja noch einige ‚Kartoffeln‚ mehr links, rechts, oben und unten! Was ist mit denen? Wer lebt in der Kultur der Hedonisten oder Konsum-Materialisten und baut mit deren Mitteln Gemeinde? Das sind die Herausforderungen der Gegenwart.“ (ZeitGeist, S. 40, Hervorhebungen meine)

Tobias weiß dabei von was er redet, denn empirische Forschung ist sein Spezialgebiet – er hat sogar ein Institut gegründet (empirica). Seine Aussagen decken sich mit dem, was Alan Hirsch schon vor einiger Zeit über die Gemeinden Australiens gesagt hat (mein Post vom 24.12.2006 und das Bild unten). Was passiert aber, wenn man etwas neues wagt? Auch hier findet Tobias klare Worte:

„Statt das Gemeinden froh sind dass sie sich gegenseitig ergänzen, vergeistlichen sie ihre Strukturen und kulturellen Werte und lehnen die anderen Gemeinden ab. Dies gilt übrigens für alle möglichen Seiten, was den einen zu engstirnig und spießig ist, ist den anderen zu abgedreht und unbiblisch. Dabei geht es meist nicht um eine echte theologische Auseinandersetzung, sondern um eine gesellschaftsrelevante Umsetzung von Folklore, das heißt, die kulturellen Aspekte wie Kleidung, Gebetsformen, traditionelle Gottesdienstabläufe, Liedgut, Sprache, Bibelübersetzung etc. spielen eine größere Rolle als die geistliche Haltung. Dies ist sehr bedenklich und zeugt von fehlender Selbstreflexion und geistlicher Arroganz.“ (ZeitGeist, S. 41, Hervorhebungen meine)

In vier Seiten wird also auf den Punkt gebracht, wie Kultur und Gemeinde jetzt schon verwoben sind – den Emerging Church Menschen wir allerorts vorgeworfen die Kultur und Gemeinde zu vermischen, dabei wird übersehen, dass sie bereits vermischt sind. Brian McLaren antwortet auf die Frage, „warum er denn das Evangelium so verwässert“ immer mit der Gegenfrage ob wir es nicht schon verwässert haben und es nur nicht mehr sehen können. Warum müssen sich gute und wichtige Initiativen immer zuerst gegen die harsche Kritik der Frommen wehren, die noch vor 10 Jahren harte, biblische Debatten darüber geführt haben, ob man ein Schlagzeug im Gottesdienst benutzen darf?Ich schliesse mit dem Abschluss des Artikels (und bedanke mich bei Tobias Faix und Thomas Weißenborn für ihre Initiative und das längst überfällige „ZeitGeist. Kultur und Evangelium in der Postmoderne“):

„Hier gilt es Vorurteile abzubauen und einander stehen zu lassen. Bevor man seine Geschwister verurteilt sollte man das Gespräch mit ihnen suchen und aufeinander zugehen. Unterschiedlichkeit war, wenn wir in die Bibel schauen, noch nie ein Kriterium, einander abzulehnen.“ (ZeitGeist, S. 41)

slide.001.png p.s. wenn Du das Buch noch nicht dein eigen nennst kannst Du es hier probelesen.

Dosi stellt Fragen…konkrete Reaktion Teil 2

Immer noch die Fragen von Dosi im Kopf schreibe ich einmal ein wenig weiter:

Die meisten Kirchen, die ich kenne sind vom Prinzip her wie ein Theater aufgebaut. Die Struktur des „auf der Bühne“ und „im Publikum“ stellt den einen (Prediger, Band, Moderator) ins Rampenlicht und erlaubt dem anderen (Der Gottesdienstteilnehmer) passiv zu verweilen. Diese Struktur setzt sich in vielen Kleingruppen fort – es gibt den einen, der organisiert, vorbereitet, fragt und die anderen, die zumindest, wenn sie nicht aktiv eingebunden werden, eher passiv bleiben.

Ist also in Wirklichkeit alles eine Frage der Leitungsstrukturen? Ich glaube, Leitungsstrukturen haben damit zu tun, sind aber nicht der Kern des Problems, vielmehr sein Ausdruck: Unsere Gesellschaft verwandelt sich immer stärker in eine Dienstleistungsgesellschaft – ich bezahle heute für Dinge, die vor 30 Jahren noch selbstverständlich in Eigeninitiative erledigt wurden. Beispiel Ernährung. Eine ausgeklügelte Essensindustrie gaukelt mir ständig vor, dass ich ihre „Bequemlichkeitsprodukte“ (Convenience) brauche. In zwei Schritten (Packung auf, Backofen an) zum Hausgemachten Dinner. In den Städten mit den meisten Dicken in Amerika geht der Durchschnittseinwohner 20 mal/Monat um seine Hauptmahlzeit einzunehmen in irgendeinen Fastfood Laden. Natürlich färbt das auf die Kirche ab ein Zitat:

„Der Konsument braucht sich nicht zu beteiligen. Er sitzt im Sessel der behaglich gewärmten Kapelle und bleibt unverbindlich. Er entscheidet über Erfolg oder Misserfolg des religiösen Produkts. Man entscheidet sich frei für irgendeine oder gar keine Gruppe. Konsequenzen braucht man nicht zu fürchten, denn auch in der Kirche ist der Kunde König.“ („Trends 2000 (ABCteam)“ (Stephan Holthaus)1998, S. 121)

Die Frage von Dosi an der Stelle war: Warum sind Gemeindegliedern zu Konsumenten verkommen? Wir sind Kinder unserer Zeit und konsumieren – die englische Kaufhauskette Selfrige wirbt 2004 mit dem Slogan „I shop, therefore I am“ (Ich konsumiere, also bin ich) und es scheint, dass dieses Credo eben immer noch unangefochten an der Spitze der Entscheidungsfindung des Menschen steht. Konsum. Die Gemeinden, die ich kenne leiden sehr unter dieser Haltung, diesem Glaubensbekenntnis. In unserem kleinen Selbstversuch (Fastenzeit) bemerken wir, wie sehr der Konsum auch uns beherrscht und wie schwer es ist sich dem kaufen zu entziehen.

Wieder muss ich hier wegen Zeitmangel abbrechen – ein Post kommt noch – zu dem Thema: Ohne Konsum?

Links:

Barbara Kruger, Künstlerin 1987, „I shop, therefore I am

ICER Paper von Peter Koslowski, „I shop, therefore I am“ Produktivistische und konsumistische Aspekte des Selbst, 2006 (ziemlich philosophisch, aber gut)

Generationenhaus in Karlsruhe

Grade gefunden (bei ka-news):

„…in dem neuen Gebäude befinden sich das Altenpflegeheim „Wichernhaus“ inklusive einer Tagespflege sowie die Kindertageseinrichtung „Kinderwichernhaus“ (KiWi) zusammen unter einem Dach.“ (Quelle)

Da hat der evangelische Verein der Stadtmission Karlsruhe in Kooperation mit der evangelischen Kirche (Anekdote am Rande: Wenn man „Evangelische Kirche Karlsruhe“ bei Google sucht, kommt als erster Treffer die katholische Kirche – das nenne ich Ökumene 🙂 ) in der Weinbrennerstrasse 69 für 6,8 Millionen Euro diesen Traum von einem Zusammenleben von Kindern und Senioren verwirklicht. Ersterer ist Träger des Altenheims, letztere Träger der Kindertagesstätte (von 6 Monaten (!) bis 6 Jahren…).

Ich empfinde das als eine gutes Projekt, vor allem darf hier das Gebäude mitsprechen und mehr sein als nur ein Dach über dem Kopf:

„Dabei verwies sie auch auf die Architektur des Gebäudes. Insbesondere erwähnte sie die Glaswände, die zwischen dem Altenpflegeheim und dem Kindergarten gebaut wurden. Denn so könnten sich alle Anwesenden jederzeit sehen, was auch das Miteinander im „Generationenhaus“ stärke. Aber auch der „Marktplatz“, der auf jeder der vier Etagen des Seniorenheims als Treffpunkt dient, sei eine tolle Lösung für mehr Gemeinschaft im Haus.“ (Quelle)

Vorbildlich, vorbildlich…

Matthias Horx über Klimaschutz als Ersatzreligion

Der Mann wird mir immer sympathischer, vor allem seine Bemerkung darüber, dass jede Zeit ihre „große Erzählung“ braucht. Wir sollten dabei wirklich bedenken, dass Menschen sehr gern Religionen erschaffen und das in der ganzen LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) Bewegung diese Religiösität wieder stark zum Vorschein kommt. Den Link habe ich via KarmaKonsum gefunden und Christoph Harrach ist offen und ehrlich (zwei Eigenschaften, die ich sehr schätze!) indem er sagt (ich zitiere):

„in wirklich kritischer aber aus meiner Sicht nicht ganz unberechtigter Beitrag des Zukunftsforschers und Gründer des Zukunftsinstituts zum Anlass seines neuen Buches “Anleitung zum Zukunfts-Optimismus”. Er stellt viele LOHAS Werte in Frage und ich habe mich in einigen Aussagen voll wieder gefunden.“ (Quelle)

Hier ist der Film:

Annie Leonard erzählt eine furchtbare Geschichte

Annie Leonard forschte 10 Jahre lang über unsere Konsumkultur. Und dann hat sie sich gedacht, dass sie uns teilhaben lässt. Er spielt genau in ein Thema hinein, zu dem ich gerade einiges schreibe: Konsum. Woher kommt unser Zeug und wohin geht es wieder? Du weißt es schon? Ich glaube da gibt es noch ein wenig mehr, was Annie dir erzählen kann…auch wenn sie in erster Linie Nordamerika beschreibt, bleiben viele Grundprinzipien auch in Deutschland die gleichen.
Ich empfehle ihre Film (auf Englisch) sehr! Er dauert 20:40 Minuten. Hier kann man ihn als Quicktime herunterladen, falls man keine 20 Minuten Zeit hat.

Nur ein Zitat aus dem Film:

„Our enormously productive economy…demands that we make Consumption our way of life, that we convert the buying and use of goods into rituals. That we seek our spiritual satisfaction, our ego satisfaction in Consumption… we need Things consumed, burned up, replaced and discarded at an ever-accelerating rate.“
(Victor Labowe, Verkaufsstratege)

„Unsere enorm produktive Wirtschaft fordert von uns, dass wir Konsumkultur als unseren Lebensstil definieren, dass wir den Kauf und den Gebrauch von Waren in Rituale umwandeln, dass wir sogar unsere spirituellen Bedürfnisse, unseren Selbstwert durch Konsumkultur abdecken. Wir brauchen es, dass Waren in einem immer schnelleren Durchsatz verbaucht, verbrannt, ersetzt und weggeworfen werden.“ Konsumkultur ist designt worden, verrät uns Annie, sie war nicht immer da, sondern ist eine Erfindung. Es ist ein wirklich, wirklich guter Film…