So sicher und klar es ist, dass das Reich Gottes nicht darin besteht, dass möglichst viele Menschen „zum Glauben kommen“, so sehr hat Jesus alle Menschen seines Aufgabengebietes (Mt. 15, 24) in seine Nachfolge gerufen. Bevor er diese Welt verlassen hat, hat er uns jedoch einen Auftrag gegeben, der eine definierte Anzahl von Menschen im Blick hat: Alle. Schlicht, Simpel.
Mir ist dabei bewusst, mehr als bewusst, dass der Prozess der Nachfolge, zu dem wir einladen sollen, nicht unbedingt durch unsere „christliche Kultur“ begrenzt ist, sondern von Jesus einladender und offener verstanden wird. Auch wenn seine Forderungen radikal bleiben (Lukas 9, 23) ist er doch auf diese Welt gekommen, um zu suchen und sich finden zu lassen. Ich merke, wie schwer mir die Formulierungen fallen und wie dicht dadurch die Sätze werden.
Ich versuche ein Beispiel: Freunde von uns leben in einem anderen Land und unterstützen Menschen darin selbstständig zu werden, z.B. kleine Geschäfte zu eröffnen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Viele Menschen kommen zu ihnen und erfahren Annahme, Liebe und Unterstützung. Im persönlichen Gespräch und durch das Leben meiner Freunde kommt immer wieder die Botschaft von Jesus hinzu – so leben und reden sie Reich Gottes in ihrem Land. Klassischer „Gemeindebau“ ist das nicht, dennoch glaube ich, dass sie genau das richtige und wichtige tun. Und sie sind daran interessiert möglichst vielen Menschen zu helfen, ihnen in ihrem gesamten Leben weiter zu helfen und letztlich ihnen auch zu helfen Gottes Plan in ihrem Leben zu sehen.
Die Gemeinschaften, die dabei entstehen haben natürlich im Sinn sich zu reproduzieren, denn viele kleine Gemeinschaften repräsentieren die persönliche, lebenteilende und mitteilende Botschaft deutlich greifbarer als große. Mein Ergebnis ist immer wieder das gleiche: Reproduktion ist unumgänglich – nicht als „Gemeindebauprinzip“ auf einer Liste von „effektiven Evangelisationsmethoden“, sondern als Ausdruck des Lebens. Neil Cole schreibt dazu in seinem Buch „Organic Church: Growing Faith Where Life Happens (JB Leadership Network Series)“
„I have heard people say, ‚We have plenty of churches. There are churches all over the place that sit empty, why start new ones? We don’t need more churches but better ones.‘ Can you imagine making such a statment about people? ‚We have plenty of people. We don’t need more people, just better ones. Why have more babies?‘ This is short-range thinking. No matter how inflated you think the world population is, we are only one generation away from extinction if we do not have babies…Imagine the headlines if suddenly it was discovered, that 96% of the woman in america were no longer fertile and could not have babies. We would instantly know two things: this is not natural so there is something wrong with their health. We would also know that our future is in serious jeopardy.“ (Zitiert nach „The Forgotten Ways: Reactivating the Missional Church“ (Alan Hirsch) S. 140 das Szenario erinnert an den Film „Children of men“)
Die Herausforderung an mich und vielleicht auch an dich ist den Gedanken zu zu lassen, dass unsere Gemeinschaften sich vermehren müssen. Wie schon gesagt geht es dabei nicht um Prinzipien, sondern um die Art und Weise wie das Leben abläuft, mit allen seinen Stadien. Ich muss sagen, dass mich diese Erkenntnis selbst be-trifft, weil ich schon lange nicht an den Start einer neuen Gemeinschaft gedacht habe. Genau daran hat mich die Zeit in Münster erinnert – und falls ihr jetzt denkt: „Wir haben keine Möglichkeiten dazu“ – wirklich? Das ist auch mein erster Gedanke und ich glaube, dass wir mehr Möglichkeiten haben, als wir denken. Der Auftrag Jesu an uns beginnt mit den Worten: „Gott hat mir unbeschränkte Vollmacht im Himmel und auf der Erde gegeben.“ und endet mit den Worten: „Ich bin immer bei euch, jeden Tag, bis zum Ende der Welt.“ (Mt. 28, 18-20)