Ich schreibe diesen Post auf einen Post von Schrotty. Ich weiß nicht, ob es eine Antwort werden wird, eher ein Gedankenspiel.
Was für eine Beziehung haben Glaube und Zweifel? Schaut man in den Jakobusbrief so ist man ernüchtert, sieht man Jesus in Getsemaneh an, ermutigt. Zweifel. Ich würde gern über den Zweifel als Frage und nicht als Zerstörer nachdenken. Descartes hat den Zweifel zur höchsten Beurteilungsform erhoben, ich würde ihn gern als Wegbegleiter der Echtheit sehen. Totalitäre Antworten ersticken sowohl die Fragen als auch den Prozess des Findens und immer wieder Findens. Johannes 15, 7 gibt uns immerhin den Hinweis darauf, dass Nachfolge ein Prozess ist. (Warum sollte Jesus sonst davon sprechen, dass seine Jünger „werden“ sollen?) Für mich sind ehrliche, zweifelnde Fragen schon immer wertvoll gewesen. Meine erste Predigt (eine Dialogpredigt mit Edith Höll im zarten Alter von 16 Jahren) ging um Thomas, den Zweifler – ich denke nicht, dass Jesus seinen Zweifel gerügt hat – eher sein Wunsch nach absoluter Sicherheit. Diese gibt es nicht im Glauben und genau darum denke ich der fragende Zweifel ist so enorm wichtig. Demütig muss er sein, der Zweifelt, nicht seinen Hochmut hinter dem Zweifel verstecken (ich weiß es ohnehin besser), ehrlich mit sich selbst und dem anderen, weder Zweifeln um des Zweifelns willen, noch das Feste des anderen mutwillig zerzweifeln suchend. Andere mögen sich dessen sicher sein, was man selbst bezweifelt.
Fragen und Suchen sind Dinge, die Jesus positiv gewertet hat, weder Nikodemus findet eine verschlossene Tür, noch heißt es, dass der Suchende nicht eingelassen wird. Wenn man Petrus anschaut, so kann man einen Zweifler (Jesus hat überdeutlich gemacht, dass sie zu allen Völkern gehen sollen und er weigert sich mit den Heidenchristen zu essen.) sehen, den Gott gebraucht.
Letztlich frage ich und hinterfrage ich und zweifle selbst an der Botschaft, die Gott uns gegeben hat und das bringt mich immer wieder dahin zu glauben. Oft bringt mich eine gute Frage näher an Gott heran als eine zu klare Antwort. Mein Weg ist die Ehrlichkeit und das Reden – mit Wenigen, mit Vielen unpassend oder passend. Offenheit auch im Zweifel und der Schwachheit bringt uns zusammen und den anderen vielleicht zu der Aussage: „Du auch, ich dachte schon ich wäre allein mit meinem Zweifel“.
Soweit mal meine Gedanken – etwas spät, aber doch noch. Liebe Grüße
Danke für Deinen Post. Geht mir nach. Ich komme aus der katholischen Tradition, bin Priester, und wir hatten im Priesterseminar einen ziemlich strengen Spiritual, der Zweifel nicht zulassen wollte. War nach seiner Meinung (gedeckt durch den Katechismus und auch wohl biblisch begründet) Sünde – eine Sünde gegen das erste Gebot. Der Spiritual hat ziemlich genau darauf geachtet, ob wir uns weigerten, für wahr zu halten, was Gott geoffenbart hat oder die Kirche zu glauben vorlegt. Oder ob wir Seminaristen die Mühe scheuten, über Einwände gegen den Glauben hinwegzukommen. Oder ob wir Seminaristen aus Angst zweifelten. Kein Wunder, das sich niemand mehr im Priesterseminar in dieser Richtung äußern wollte. Ich bezweifle aber, daß alle so glaubensfest waren. Es mag hohe Würdenträger wie „normale“ Gläubige geben, die Glaubens-Stärke demonstrieren und von keiner Anfechtung heimgesucht scheinen. Aber mitunter kommt mir diese Demonstration etwas „aufgesetzt“ vor, so als ob man nach der Parole glaubt: „Augen zu und durch.“ Mit diesen Leuten kann man nur bis zum einem bestimmten Punkt diskutieren, aber dann, ab dann muß man nach ihrer Meinung glauben. „Vogel, friß oder stirb.“ Da fallen die Skeptiker unter den Tisch, die es nunmal auch gibt. Deren Horizont nicht ein Himmel aus Goldgrund ist wie bei einer Ikone, sondern deren Glaubensgemälde eher einer realistische Landschaft gleicht wie auf den Gemälden der Spätgotik.
O Gott, ich glaube, ich texte Dich gerade zu, aber das Thema geht mich echt was an. Nach biblischem Verständnis ist Glaube: Festigkeit haben können und Festigkeit beweisen. Glaube ist weder Salto mortale in absurde Lehren (wie sie Sekten verlangen) noch unverbindliches Umherirren und ständiges Suchen. Sondern Glauben bedeutet: in etwas stehen und zu etwas stehen. Nicht: den Verstand aufgeben, sondern sich festmachen, Halt gewinnen in etwas. Glaube heißt: nicht hektisch umherspringen, sondern sich einreihen in eine Geschichte, in einen roten Faden. Sich verankern in einer Prozession von Glaubenszeugen.Glauben hat darum für mich sehr wesentlich etwas mit Identität zu tun und weniger mit Selbstaufgabe – Glauben heißt nicht, daß ich meinen Verstand an der Tür abgeben muß. Glaube heißt für mich Halt finden und bewahren können. Und das heißt für mich auch, Gottes Ja zu mir zu entdecken und zu übernehmen, entdecken, daß ich nie ohne dieses grundsätzliche Ja auskommen können. Entdecken, daß Gott mich will und mein Leben. Für mich war es von Kindheitsbeinen an sehr beglückend zu spüren: Ich habe einen Platz in dieser Heilsgeschichte. Und mein Glaube darf so klein sein wie ein Senfkorn (und Jesus hatte sogar Senfkörner vor Augen, die viel kleiner waren als die Senfkörner, die wir kennen, nämlich gerade noch mit dem Auge erkennbar).Also so klein darf mein Glaube sein. Denn auch ein kleines Senfkorn trägt alle Verheißung in sich, eine große Verheißung.Glaube kann nämlich dann die Kraft zur Treue werden, die Erstaunliches möglich macht. Was mich bei Dietrich Bonhoeffer oder Edith Stein zum Beispiel mächtig beeindruckt. Oder bei Mutter Teresa. Und bei Mutter Theresa, das kann man in ihrer Autobiographie nachlesen, fing es wirklich ganz klein an, klein wie ein Senfkorn. Glaube ist eine Kraft, die gegen jede Erwartung wirksam ist. Und die dann trotzdem etwas erbringt, was zum Himmel weist. Glaube ist ein Ja, das sich auf Stärkeres gründet. Auf eine letzte äußerste Ahnung, daß der Tod nicht das Endgültige ist.
Ich kann die Bitte der Apostel „Herr, stärke unseren Glauben“ sehr gut verstehen, und Ãch bete auch regelmäßig so, daß Gott mich stärken möge, daß ich nicht müde werde, ihn zu suchen und zu erkennen. Er allein vermag den Glauben zu schenken durch ein Wort oder ein Zeichen, das mich befähigt, an Wirklichkeiten heranzukommen, die ich nicht sehen kann und die doch existieren.
Jetzt hab ich Dich echt zugepredigt. Typisch Pfarrer, dich können das nicht immer abstellen. Toll finde ich ein Gedicht zum Thema von Andreas Knapp.
„Glauben sie/so wurde ich gefragt/an den lebendigen Gott / und ich antwortete / ich lebe davon / daß Gott an MICH glaubt.
Und was halten Sie / von Jesus Christus / und ich antwortete / ich baue darauf / daß ER MICH hält.
und was denken Sie / vom Heiligen Geist / und ich antwortete / daß er uns beide tief verbindet / mehr als wir uns denken können.“
Liebe Grüße. Und nichts für ungut.
Hi Björn, danke dir für deinen coolen Gedanken. Meine eigenen Gedanken gingen in letzte Zeit auch in diese Richtung, die Richtung des Fragens.
P.S. Schade dass wir uns in hamburg nicht gesprochen haben, wusste ehrlich gesagt nicht, wer von den vielen Leuten du bist 😉
P.p.s hatte dir mal 2 emails bezüglich eines Vortrags zu missionarischer Jugendarbeit geschrieben. Hast du die gelesen?