Kinder – Arm oder Reich? (Ausführlicher Post)

Widersprüchliche Meldungen gibt es derzeit in den Nachrichten bzgl. Armut von Kindern: Die einen sagen, dass Eltern noch nie so viel Geld für Kinder ausgegeben („2003 waren es im Schnitt 549 Euro pro Monat“) haben und Kinder demnach so reich sind, wie noch nie, die anderen berichten von einer neuen Armut, die sich seit 2004 verdoppelt habe („Mehr als 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland leben nach Angaben des Kinderschutzbundes auf Sozialhilfeniveau.“).

Infografik

Deutsche Kinder sind so reich wie nie“Armes Deutschland mit reichen Kindern“ lautet eine der Hauptaussagen der repräsentativen Kids-Verbraucher-Analyse 2006, die der Egmont Ehapa Verlag in Berlin vorstellte. Demnach sind die Kinder hierzulande so reich wie nie, verfügen die Sechs- bis 13-Jährigen in laufenden Jahr doch über ein Vermögen von 1006 Euro.

Studie: Deutsche Kinder sind so reich wie nie | tagesschau.de

Wohingegen diese Meldung eine andere Sprache spricht:

In der BA-Statistik für Juni 2006 war bei den Familien Langzeitarbeitsloser erstmals auch die Zahl der Kinder zwischen 15 und 18 Jahren aufgeführt, die nun in die Gesamtsumme einfließt. „Wir mussten vorher immer schätzen und wurden beschimpft, Horrorzahlen zu verbreiten“, sagte Hilgers der Zeitung. „Aber die Wahrheit ist viel schlimmer.“ Die Zahl der armen Kinder habe sich seit 2004 mehr als verdoppelt. Von 15 Millionen Kindern hätten 2,5 Millionen kaum Bildungschancen und lebten mit einem hohen Gesundheitsrisiko. Kindern müsse jedoch unabhängig vom Einkommen der Eltern ein Weg in die Zukunft geebnet werden.

2,5 Millionen Kinder leben auf Sozialhilfeniveau | tagesschau.de

Das hierbei die „Armut“ der Kinder an die Arbeitslosigkeit der Eltern gekoppelt ist verwundert gar nicht, denn die Eltern geben ihren Kindern monatlich proportional zu ihrem Einkommen: „Während Haushalte mit einem Kind und einem Nettoeinkommen bis 1717 Eurodurchschnittlich 325 Euro für den Nachwuchs ausgaben, waren es beieinem Einkommen von mehr als 5427 Euro mit 862 Euro pro Monat fast dreiMal so viel„. (Quelle) Arm gilt dabei derjenige, dessen Einkommen unter 60% des durchschnittlichen Einkommens liegt (laut statistischem Bundesamt ist das durchschnittliche Einkommen von Arbeitern/Angestellten 2997€/Brutto): Wenn man also weniger als 1798€ Brutto verdient, gilt man in Deutschland als arm.

Aber es geht nicht nur um materielle Armut:

In der Armutsforschung ist die materielle Armut allerdings nur ein Indikator. Mindestens genauso wichtig ist für Soziologen der mögliche Rückzug von Menschen aus den wesentlichen Institutionen der Zivilgesellschaft – etwa aus Schulen oder Vereinen.Eine so genannte „Verwahrlosung der Lebensführung“ findet sich denn auch in den Statistiken und Armutsberichten der Wohlfahrtsverbände so gut wie gar nicht wieder. Bei der Frage, ob Kinder in Armut leben, stellen sich demnach ganz grundsätzliche Fragen: Ist für die täglichen Mahlzeiten gesorgt und kümmert sich jemand um deren Wäsche? Haben die Kinder einen regelmäßigen Ansprechpartner – und ganz fundametal: Wer achtet darauf, dass sie morgens pünktlich aufstehen?Bei Erwachsenen werden finanzielle und materielle Krisenphasen gar als kaum dramatisch eingeschätzt, so lange die Perspektive besteht, dass der Betroffene auf absehbare Zeit eine moderne, gesellschaftliche Normalbiografie ausfüllen kann.

Hintergrund: Was ist Armut? | tagesschau.de

Die evangelische Kirche in Deutschland hat ihrerseits schon seit Anfang Juli eine Denkschrift über die Armut in Deutschland draussen, darin heißt es:

Ein weiteres wichtiges Steuerungselement zur Bekämpfung von Armut ist die Familienpolitik. Sie muss weit stärker als bisher an der Situation der Armen ausgerichtet werden. Eine große Zahl von Kindern wird von den durchaus begrüßenswerten Maßnahmen der Bundesregierung zur Verbesserung der Situation von Familien nicht erreicht oder zumindest nicht wirksam genug gefördert. Ihnen hilft nach aller Erfahrung auch nicht die Erhöhung von materiellen Hilfen, sondern vor allem die Bereitstellung institutioneller Förderleistungen.

EKD: Evangelische Kirche in Deutschland – Erstmalig Denkschrift der EKD über Armut in Deutschland

Deutschland in der Kinderkrise, nicht nur, dass die Geburtenzahlen nach wie vor rückläufig sind, Kinder werden als finanzielle Belastung angesehen, was sie ja auch durchaus sind, wie man oben gesehen hat. Dennoch bleibt es nicht dabei, der Ruf nach Bildung und Familie, nach Vereinen, Sozialen Netzwerken wird lauter. Armut hat immer auch etwas mit Bildung zu tun, wie die Evangelische Kirche in ihrer Schrift deutlich macht:

Dievorliegende Denkschrift gibt eine Fülle weiterer Anstöße zur engerenVerzahnung von Sozial-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik, aber auchzur Umgestaltung des Verhältnisses von Sozial- und Wirtschaftspolitik.Ebenso werden die Handlungsmöglichkeiten von Kirchengemeinden unddiakonischen Einrichtungen beschrieben.Der Realitätssinn des christlichen Glaubens schützt uns vor derIllusion, Armut ließe sich aus eigener Kraft endgültig beseitigen. Aberder Glaube ermutigt uns dazu, das Menschenmögliche zu tun, um Armut undmangelnde Teilhabe nachhaltig zu begrenzen.

EKD: Evangelische Kirche in Deutschland – Erstmalig Denkschrift der EKD über Armut in Deutschland

Bis jetzt habe ich mir noch nicht so viele Gedanken um Armut gemacht, was ich als Fehler ansehe. Als Vereine müssen wir hier handeln – diese Situation fordert Christen heraus, oder? Gottes Reich praktisch erfahrbar zu machen auf dieser Erde schliesst soziale Gerechtigkeit mit ein – Fair Trade weltweit kommt langsam in Mode, Faire und soziale Gesellschaft und Kultur aus der Mode. Seltsam: Was denkst Du?

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